Immobilienblase in Deutschland: Was spricht dafür, was dagegen?
Die niedrigen Zinsen haben den Immobilienmarkt befeuert. Vor allem in den Großstädten und Ballungszentren sind die Preise für Häuser und Wohnungen zum Teil stark gestiegen. Der Immobilienboom ist in aller Munde, zum Teil kommt auch die Frage auf: Besteht schon eine Immobilienblase in Deutschland? Wie real ist die Gefahr? Und welche Schlüsse sollten Sie als Immobilieninteressent oder Eigenheimbesitzer daraus ziehen?
Welche Einflussfaktoren sprechen für, welche gegen eine Immobilienblase? Die Experten sind sich darüber einig, dass sich die Entwicklung einer Blase bereits im Vorfeld abzeichnen muss. Wichtige Einflussfaktoren sind hierbei die Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten, die Finanzierungsgewohnheiten der Käufer und Häuslebauer, das spekulativen Interesse im Markt und der Kreditvergabepraxis der Finanzierungsinstitute. Gemeinsam geben diese Indikatoren daher eine Art "Frühwarnsystem" ab. Wichtig ist: Zur Beurteilung gilt es unbedingt mehrere Aspekte zu betrachten. Das Vorliegen nur eines Anzeichens ist für eine Diagnose nicht ausreichend.
Preisanstieg
Die vielerorts hohen Immobilienpreise bereiten vielen Immobilieninteressenten Sorge. Auch die Deutsche Bundesbank warnte Ende 2016 in ihrem Finanzstabilitätsbericht vor regional differenzierten Überbewertungen von 10 bis 20 Prozent. Ist damit aber schon das erste Kriterium für eine Immobilienblase erfüllt? Diese Frage lässt sich nicht flächendeckend beantworten. Tatsächlich bestehen in einigen regionalen Märkten Tendenzen einer Überhitzung, die für eine Blase sprechen könnten. Allerdings hat eine extreme Entwicklung der Kaufpreise in Kombination mit einer Entkopplung von den Mieten tatsächlich ausschließlich in den großen Ballungsräumen stattgefunden. Ein flächendeckender, extremer Preisanstieg in ganz Deutschland ist nicht zu verzeichnen. In vielen ländlichen Gebieten ist kein deutlicher Preisanstieg zu beobachten.
Finanzierungsstruktur
Welche Ausgestaltung ihrer Finanzierung bevorzugen die Bundesbürger mehrheitlich? Die Daten der Interhyp Gruppe zeigen, dass Kunden gemessen an früher heute mehr Eigenkapital einbringen und höher tilgen: Bundesweit ist die durchschnittlich Summe des beim Immobilienerwerb eingesetzten Eigenkapitals von 2010 bis 2016 gestiegen. Der durchschnittliche Tilgungssatz erhöhte sich bei Neufinanzierungen im gleichen Zeitfenster von 2,29 auf 2,92 Prozent. Dies belegt, dass deutsche Immobilienkäufer auch weiterhin sehr konservativ und solide bei ihrer Finanzierung vorgehen. 100-Prozent-Finanzierungen am Rande des Leistbaren sind in Deutschland eher Einzelfälle, hier haben Banken auch Auflagen und Kreditvergabestandards eingeführt. Ganz anders war dies aber beispielsweise im Vorfeld der Immobilienkrise in den USA: Dort waren Beleihungsausläufe von weit über 100 Prozent sowie Darlehen ohne anfängliche Tilgung durchaus üblich.
Anlagehorizont
Spekulative Blasen zeichnen sich durch einen kurzfristigen Anlagehorizont aus: Käufer erwerben häufig nur deshalb Immobilieneigentum, weil sie es kurzfristig wieder profitabel verkaufen möchten. In Deutschland werden Immobilien vorwiegend als langfristige Anlage gesehen. Außerdem wirken hierzulande auch die gesetzlichen und steuerlichen Regelungen solchen Motiven entgegen. So ist der Gewinn aus dem Verkauf einer fremdgenutzten Immobilie erst nach zehn Jahren steuerfrei und die Kaufnebenkosten liegen nach den letzten Grunderwerbsteuererhöhungen in vielen Bundesländern nicht selten bei 15 Prozent, so dass kurzfristige Wiederverkäufe wenig lukrativ sind.
Kreditvolumen
Mit einem spekulativ getriebenen Immobilienmarkt geht nach dem Institut der deutschen Wirtschaft meist eine expansive Praxis der Kreditvergabe einher. Dies ist derzeit aber nur sehr bedingt der Fall. Laut den Daten der Deutschen Bundesbank ist das Volumen der an Privatpersonen vergebenen Wohnungsbaukredite 2015 im Vergleich zum Vorjahr zwar gestiegen, 2016 aber wieder gesunken. Zum Vergleich: Das blasentypische Wachstum, wie es beispielsweise seinerzeit in Irland oder Spanien zu beobachten war, zeichnete sich durch extreme Wachstumsraten aus. Dort stiegen die Kreditvolumina innerhalb weniger Jahre stark an, bevor es zum großen Immobiliencrash kam.
Fazit und Tipps
Nach dem Check wichtiger relevanter Anzeichen kann zumindest vorerst Entwarnung gegeben werden. Die untersuchten Indikatoren lassen mehrheitlich nicht auf eine flächendeckende Immobilienblase in Deutschland schließen. Allerdings sind in einigen Großstädten und Ballungszentren Überhitzungstendenzen zu beobachten. Immobilienkäufer sollten aber einige Tipps beachten:
Interessenten sollten sich vorab ein Bild über Lage, Umfeld und Preisentwicklung verschaffen. Hier bieten Angebotsportale im Internet und Berichte der Gutachterausschüsse einen guten Überblick.
Bei der Planung der Finanzierung sollten eine möglichst hohe Tilgung (mindestens drei Prozent), lange Zinsbindungen und wenn möglich auch Volltilgerdarlehen gewählt werden - damit können Eigenheimbesitzer für mehr Schutz vor einem möglichen Zinsanstieg in Zukunft sorgen.
Vor allem sollten sich Immobilieninteressenten aber durch die aktuellen Preisdiskussionen nicht aus der Ruhe bringen lassen und sich für den Kauf nur dann entscheiden, wenn dies in der aktuellen Lebenssituation sinnvoll erscheint.